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Urteil Versicherungsgericht (SG - UV 2014/68)

Zusammenfassung des Urteils UV 2014/68: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer war als Maurer bei der B. AG angestellt und wurde bei einem Unfall am 3. Januar 2010 schwer verletzt. Nach einer erfolgreichen Umschulung und dem Start eines neuen Jobs forderte er eine unbefristete Invalidenrente. Die Suva gewährte ihm jedoch nur eine befristete Rente. In der Beschwerde wurde die Aufhebung der befristeten Rente und die Gewährung einer unbefristeten Rente beantragt. Das Gericht entschied zugunsten des Beschwerdeführers und sprach ihm eine unbefristete Invalidenrente zu. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben. Der Beschwerdeführer erhielt eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.--.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts UV 2014/68

Kanton:SG
Fallnummer:UV 2014/68
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:Versicherungsgericht
Versicherungsgericht Entscheid UV 2014/68 vom 26.05.2016 (SG)
Datum:26.05.2016
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 18 UVG. Rentenanspruch. Unzulässigkeit einer im Voraus befristeten Rentenleistung (sog. Angewöhnungsrente) gestützt auf eine antizipierte Invaliditätsschätzung. Zusprache einer unbefristeten Rente (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. Mai 2016, UV 2014/68).Entscheid vom 26. Mai 2016
Schlagwörter: Rente; Renten; Angewöhnung; Recht; Anpassung; Revision; Rechtsprechung; Urteil; Person; Praxis; Invalidität; Unfallversicherung; UV-act; Angewöhnungsrente; Bundesgericht; Hinweis; Invalidenrente; Erwerbsfähigkeit; Bundesgerichts; Sachverhalt; Arbeit; Rentenleistung; Verfügung; Zeitpunkt; Prognose
Rechtsnorm: Art. 17 ATSG ;Art. 18 UVG ;Art. 19 UVG ;Art. 21 ATSG ;Art. 22 UVG ;Art. 48 UVG ;
Referenz BGE:106 V 50; 106 V 51; 116 V 248; 120 V 373; 126 V 360; 134 V 189; 135 V 147; 140 V 69; 141 V 14; 97 V 58;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts UV 2014/68

Besetzung

Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterin Christiane Gallati Schneider, Versicherungsrichter Ralph Jöhl; Gerichtsschreiber Philipp Geertsen

Geschäftsnr. UV 2014/68

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Christian Thöny, Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur,

    gegen

    Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Invalidenrente (Befristung) Sachverhalt

    A.

    1. A. war bei B. AG als Maurer angestellt und dadurch obligatorisch bei der Suva gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie von Berufskrankheiten versichert. Am 3. Januar 2010 blieb er bei einem Sprung über eine Mauer mit einem Fingerring an einem Eisen hängen, was zur Abtrennung des Ringfingers rechts führte (Schadenmeldung vom 6. Januar 2010 [Dokumenteneingang bei der Suva], UV-act. 1). Die erstbehandelnden Ärzte der Klinik für Wiederherstellungschirurgie am Departement Chirurgie am Universitätsspital Zürich diagnostizierten eine Ringavulsionsverletzung Dig. IV rechts mit Exartikulation im PIP- Gelenk. Sie führten am 3. Januar 2010 eine Stumpfbildung Dig. IV rechts unter maximalem Längenerhalt der Grundphalanx durch Defektdeckung mit einem axial gestielten dorsalen Metakarpalelappen durch. Aufgrund der kompletten Avulsion dorsal auf Höhe der proximalen Grundphalanx und palmar auf Höhe der mittleren Grundphalanx mit weitstreckig ausgerissenen Nerven beidseits und maximal gezerrten Gefässen beidseits war eine Replantation des abgetrennten Fingers ausgeschlossen (siehe Operationsbericht vom 9. Februar 2010, UV-act. 8, sowie den Austrittsbericht vom 11. Februar 2010, UV-act. 7). Die Suva erbrachte in der Folge Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen.

    2. Vom 28. April bis 2. Juni 2010 befand sich der Versicherte zur Rehabilitation in der Rehaklinik Bellikon. Die dort behandelnden medizinischen Fachpersonen diagnostizierten eine ausgeprägte schmerzhafte Funktionseinschränkung der dominanten rechten Hand, myofasziale Beschwerden der Schultergürtelmuskulatur rechts und eine Anpassungsstörung (ICD-10: F43.25). Sie vertraten die Auffassung, dass der Versicherte den erlernten Beruf als Maurer nicht mehr werde ausüben können, und empfahlen eine berufliche Umorientierung (Austrittsbericht vom 7. Juni 2010, UV- act. 51).

    3. Im Rahmen einer von der IV-Stelle des Kantons Graubünden finanzierten, am

      29. November 2010 begonnenen Umschulung erlangte der Versicherte zunächst das Bürofach- und Handelsdiplom VSH und schloss danach die Ausbildung zum zertifizierten Sachbearbeiter C. und D. ab. Per 1. September 2013 trat er eine Stelle bei der E. AG als Assistent Bewirtschaftung an (Mitteilung der IV-Stelle des Kantons Graubünden vom 16. Juli 2013, UV-act. 160; zum Arbeitsvertrag vom 13. Juni

      2013 siehe UV-act. 157).

    4. Kreisärztin Dr. med. F. , Fachärztin für Chirurgie FMH, schätzte den Integritätsschaden auf 5%. Es verbleibe eine Funktionseinschränkung der rechten Hand aufgrund des Fingerverlusts sowie eine leicht verminderte Belastbarkeit (Beurteilung vom 12. Dezember 2013, UV-act. 169).

    5. Mit Verfügung vom 2. April 2014 sprach die Suva dem Versicherten eine für die Dauer vom 1. September 2013 bis 31. August 2015 befristete 14%ige Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung von 5% zu. Dem Versicherten wurde die Rente in Kapitalform (Fr. 15‘573.60) ausgerichtet (UV-act. 189). Dagegen erhob der Versicherte am 4. April 2014 Einsprache. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Zusprache einer unbefristeten Rente entsprechend einer 14%igen Erwerbsunfähigkeit sowie eine Entschädigung für eine 6%ige Integritätseinbusse (UV- act. 190). Die Suva wies die Einsprache vollumfänglich ab (Einspracheentscheid vom

2. September 2014, UV-act. 194). B.

    1. Gegen den Einspracheentscheid vom 2. September 2014 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 12. September 2014. Der Beschwerdeführer beantragt darin dessen Aufhebung und die Ausrichtung einer unbefristeten Invalidenrente aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit von 14%; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der mit E. AG vereinbarte Lohn sei kein Einstiegs-, sondern ein Durchschnittslohn. Die von der Beschwerdegegnerin der Rentenbefristung zugrunde gelegte Annahme, der Beschwerdeführer werde die Erwerbsunfähigkeit nach einer Angewöhnung wettmachen können, sei unzutreffend. Es seien keine Umstände ersichtlich, welche für die von der Beschwerdegegnerin für die

      Zukunft erwartete überproportionale Lohnerhöhung sprächen. Eine Befristung der Rente und die einmalige Auszahlung eines Kapitalbetrags seien daher nicht zulässig. Im Übrigen stehe der Beschwerdegegnerin bei einer unbefristeten Rentenzusprache die Möglichkeit der Revision offen, sollte sich der Sachverhalt tatsächlich nachträglich erheblich ändern (act. G 1).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Beschwerdeantwort vom 14. Oktober 2014 die Abweisung der Beschwerde. Sie bringt vor, gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei die Gewährung einer befristeten Rente statthaft, wenn wie vorliegend bereits anlässlich der Rentenfestsetzung vorauszusehen sei, dass sich die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit zufolge Anpassung und Angewöhnung der versicherten Person an die Unfallfolgen in absehbarer Zeit ausgleichen würden. Fingerverstümmelungen geringeren Ausmasses bewirkten erfahrungsgemäss trotz des bleibenden Defekts nach einer gewissen Phase der Anpassung und Angewöhnung keine nur noch eine minimale Verminderung der Erwerbsfähigkeit. Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer mit Blick auf die ihm obliegende Schadenminderungspflicht zumutbar, im Fall einer ab September 2015 weiterhin unterdurchschnittlichen Entlöhnung eine andere Stelle mit angemessenem, rentenausschliessendem Lohn anzutreten (act. G 3).

    3. Auf eine Replik hat der Beschwerdeführer verzichtet (vgl. act. G 5).

Erwägungen

1.

Zwischen den Parteien umstritten und nachfolgend zu prüfen ist die Befristung der

14%igen Invalidenrente per 31. August 2015.

2.

Ist die versicherte Person infolge des Unfalls zu mindestens 10% invalid (Art. 8 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]), so hat sie Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung [UVG; SR 832.20]). Der Rentenanspruch

entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustands der versicherten Person mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 UVG). Er erlischt mit der gänzlichen Abfindung, mit dem Auskauf der Rente dem Tod der versicherten Person (Art. 19 Abs. 2 UVG). Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG).

3.

Nach der unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Gewährung einer im Voraus befristeten Rente statthaft, wenn bereits anlässlich der Rentenfestsetzung vorauszusehen ist, dass sich die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit zufolge Anpassung und Angewöhnung der versicherten Person an die Unfallfolgen in absehbarer Zeit ausgleichen werden. Nach dieser Rechtsprechung bewirken Fingerverstümmelungen geringeren Ausmasses, insbesondere solche der vier Langfinger, erfahrungsgemäss trotz des bleibenden Defekts nach einer gewissen Phase der Anpassung und Angewöhnung keine nur noch eine minimale Verminderung der Erwerbsfähigkeit (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom

13. März 2006, U 367/05, E. 2.1 mit Hinweis auf BGE 106 V 50; soweit ersichtlich zuletzt im Urteil des Bundesgerichts vom 7. November 2012, 8C_626/2012, E. 2 bestätigt).

    1. Der ideelle Humus, von dem diese Rechtsprechung seit nunmehr rund 100 Jahren genährt wird (vgl. Urteil des EVG vom 11. Juli 1919 i.S. Gehring, auszugsweise wiedergegeben in Werner Lauber, Praxis des sozialen

      Unfallversicherungsrechts der Schweiz, Bern 1928, S. 36 f.), bildete die am damaligen Eidgenössischen Versicherungsgericht herrschende Grundansicht zu den psychohygienischen Nachteilen der Revision (zur Revision, „mit all ihren bekannten Nachteilen“ siehe auch das genannte Urteil Gehring, S. 37; vgl. Peter Omlin, Dauerrenten - Zeitrenten - Terminierte Renten, in: René Schaffhauser/ Franz Schlauri

      [Hrsg.], Die Revision von Dauerleistungen in der Sozialversicherung, St. Gallen 1999,

      S. 136): „Durch die bei der erstmaligen Rentenfestsetzung zu erfolgende Vorausberücksichtigung der Angewöhnungsmöglichkeit […] wird die Angewöhnung [durch die Verbesserung der Funktion des geschädigten Gliedes Organs, trotz gleichbleibendem anatomischem Zustand] in der Regel gefördert; dies aus dem einfachen Grunde, weil der Versicherte ein für ihn ohne weiteres erkennbares Interesse an der Angewöhnung erhält, während beim Vorbehalt der Revision für den Angewöhnungsfall viele Versicherte unvernünftig genug sind, den Weitergenuss der unter Revisionsvorbehalt zugesprochenen Rente höher einzuschätzen, als die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. […] die Förderung ist nicht nur im wohlverstandenen Interesse des einzelnen Versicherten, sie ist ferner nicht nur im pekuniären Interesse des Versicherers, sondern sie ist auch im Interesse der ganzen Volkswirtschaft, und sie ist endlich im Interesse der Versicherungsmoral und damit überhaupt des Instituts der Sozialversicherung“ (siehe den Vortrag vom damaligen Bundesversicherungsrichter Paul Piccard, gehalten am 26. Oktober 1920 in Aarau, an dem von dem aargauischen kantonalen Aerzteverband organisierten unfallmedizinischen Fortbildungskurs für praktische Aerzte, publiziert in: Lauber, a.a.O.,

      S. 274). Bei der erstmaligen Rentenfestsetzung müsse, „wo immer möglich, vermieden werden, dass der Versicherte ein Interesse an der Nichtangewöhnung und daher am Nichtarbeiten erhalte. Ein solches, sozial schädliches Interesse am Nichtarbeiten erhält er u.a. dann, wenn ihm für den Fall der Angewöhnung eine Herabsetzung der Rente droht. Dagegen wird er zur Arbeit angespornt, wenn man die voraussehbare, normale Angewöhnungsmöglichkeit im Voraus berücksichtigt, was insbesondere eben durch Zuspruch einer von vornherein degressiv abgestuften Rente - Angewöhnungs- Schonungsrente - geschehen kann, und zwar je nach den Umständen des konkreten Falls entweder als Zusatzrente zu einer Dauerrente, aber als einzige weitere Leistung, sodass für die Zeit nach Ablauf der normalen Angewöhnungsdauer zum Voraus jede Rente verweigert wird, letzteres freilich bloss dann, wenn eine dauernde Beeinträchtigung wirklich nicht anzunehmen ist“ (Piccard, a.a.O., S. 275; Hervorhebung gemäss Original; siehe auch Urteil des EVG vom 20. Oktober 1921 i.S. Kellerhals, E. 3, in: Lauber, a.a.O., S. 111 unten; vgl. auch Omlin, Dauerrenten - Zeitrenten - Terminierte Renten, a.a.O., S. 136 mit Hinweisen). „Gewiss werde es immer Versicherte geben, die sich gegen die Vorausberücksichtigung der Angewöhnung gerade da, wo diese einzig

      von ihrem eigenen Willen abhängt, sträuben und von der Anstalt verlangen, dass sie die Entscheidung über eine Herabsetzung der Rente auf den Zeitpunkt hinausschiebe, in welchem die Anpassung wirklich eingetreten sein wird, eben - denn dazu führt dieses System - vereitelt sein wird. Solch unvernünftigem Verlangen und solch unsozialem Verhalten entgegenzutreten, dafür ist nun aber gerade der Versicherer da, dessen höhere Einsicht sich auszuwirken hier die beste Gelegenheit hat“ (Piccard, a.a.O., S. 276, Fn 15 am Schluss; Hervorhebung gemäss Original). „Und es ist entschieden besser, dass gegebenenfalls der Versicherte die Initiative zur Erhöhung der Rente ergreifen und seinen guten Arbeitswillen glaubhaft machen muss, als dass umgekehrt der Versicherer den äusserst schwierigen Beweis des schlechten Willens zu erbringen habe. Letzteres würde voraussetzen, dass der Versicherer den Versicherten auf Schritt und Tritt durch Inspektoren kontrollieren lasse, was erfahrungsgemäss den Versicherten verbittert und den Versicherer doch meist nicht zum Ziele führt. Ist dagegen die Rente unter Berücksichtigung der normalen Angewöhnung festgesetzt worden, und muss daher der Versicherte die Initiative zu deren Erhöhung ergreifen, wenn er behauptet, dass trotz gutem Arbeitswillen die Angewöhnung nicht eingetreten ist, dann ist er auch ohne weiteres in der Lage, dies nachzuweisen“ (Piccard, a.a.O.,

      S. 275, Fn 14; Hervorhebung gemäss Original; zum Beweisthema siehe auch Urteil des EVG vom 20. Oktober 1921 i.S. Kellerhals, E. 3 am Schluss, in: Lauber, a.a.O., S. 112; siehe zum Zweck der Angewöhnungsrente, die Entstehung von Neurosen zu verhindern, P. Piccard, Versicherungsneurosen, in: Lauber, a.a.O., S. 312 f.). Auch in der späteren Rechtsprechung zur Angewöhnungsrente bzw. zur befristeten/ abgestuften Rente wird auf deren Sinn als „Therapiemassnahme“ hingewiesen (RKUV 1993 U 173 S. 146).

    2. Die unbesehene Fortführung dieser Praxis unter der Herrschaft des UVG lässt unberücksichtigt, dass mit dessen Erlass der in der Invalidenversicherung herrschende Invaliditätsbegriff ausdrücklich übernommen wurde („Vereinheitlichung des Invaliditätsbegriffs“, BBl 1976 III 190 f.). Unter der damaligen (bis heute materiell unverändert gebliebenen) Rechtslage waren in der Invalidenversicherung antizipierte Invaliditätsschätzungen mit in die Zukunft gerichteten Rentenherabsetzungen und/oder

      -befristungen jedoch gerade unzulässig (BGE 97 V 58 und 131 V 166 E. 2.3.3; zur Unzulässigkeit de lege lata siehe Ulrich Meyer/Marco Reichmuth, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in: Hans-Ulrich Stauffer/Basile Cardinaux,

      Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, 3. Auflage, Zürich 2014, Rz 115 zu Art. 4). Das Bundesgericht wies denn auch zutreffend in einer unfallversicherungsrechtlichen Streitigkeit betreffend die Abgrenzung zu den vorübergehenden Taggeldleistungen darauf hin, dass Invalidenrenten als Dauerleistungen auf unbestimmte Zeit zugesprochen werden (BGE 140 V 69 E. 4.1).

    3. Das mit Art. 19 Abs. 1 UVG geschaffene Leistungssystem (Heilbehandlung, Taggelder und Rente) garantiert sodann bereits eine ausreichende Stabilität in der Ausrichtung der Rentenleistung, ohne dass die Invalidenrente bereits nach kurzer Zeit einer Revision unterzogen werden muss. Bei der erstmaligen Rentenzusprechung werden die für eine Dauerleistung erforderlichen Stabilitätsanforderungen dadurch sichergestellt, dass der Rentenanspruch nicht mit der Anmeldung der versicherten Person entsteht, sondern erst nach Abschluss der ärztlichen Heilbehandlung (und nach Abschluss allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch die Invalidenversicherung; vgl. BGE 140 V 69 E. 4.1). Damit wird dem Dauercharakter der Rentenleistung bereits ausreichend Rechnung getragen, weshalb im Zeitpunkt der Rentenzusprache kein (zusätzliches) Bedürfnis nach einer antizipierten Verbesserung in Form einer Befristung besteht.

3.4

      1. Von Bedeutung ist ferner, dass ein griffiges Instrumentarium zur Durchsetzung der Schadenminderungspflicht (inzwischen) de lege lata vorhanden ist. Entzieht widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend dauernd gekürzt verweigert werden (Art. 21 Abs. 4 Satz 1 ATSG). Art. 61 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) konkretisiert und präzisiert die Folgen einer Weigerung der versicherten Person im Bereich der Unfallversicherung. Er sieht vor, dass die versicherte Person den Anteil des Schadens tragen muss, den sie selbst verschuldet hat. Unter dem Titel „Verweigerung einer zumutbaren Behandlung Eingliederungsmassnahme“ lautet diese Bestimmung folgendermassen: „Weigert sich ein Versicherter ohne zureichenden Grund, sich einer zumutbaren Behandlung

        Eingliederungsmassnahme zu unterziehen, so werden ihm nur die Leistungen gewährt, die beim erwarteten Erfolg dieser Massnahme wahrscheinlich hätten entrichtet werden müssen“. Das UVG kannte bereits vor dem Inkrafttreten des ATSG eine Regelung dieser Art (aArt. 48 Abs. 2 UVG, in Kraft bis zum 31. Dezember 2002, und aArt. 61 UVV in der Fassung, die bis zum gleichen Datum gültig war; siehe zum Ganzen Praxis 2/2009 Nr. 27 S. 156 E. 2.1 f. = BGE 134 V 189 ff.).

      2. Art. 21 Abs. 4 ATSG bezieht sich auf einen zukünftigen Sachverhalt (Praxis 2/2009 Nr. 27 S. 156 E. 2.2 = BGE 134 V 189 ff.) und erfasst damit insbesondere auch die der Angewöhnungsrente zugrunde gelegten zukünftigen, erwerblich ins Gewicht fallenden Leidensanpassungen der versicherten Person. Damit stellt das geltende Recht - bei Bedarf - eine umfassende Handhabe für die zur Begründung der Praxis zur Angewöhnungsrente ins Feld geführte „Förderung der Angewöhnung“ und gegen die Gefahr des „unsozialen“ und „unvernünftigen“ Verhaltens der Versicherten zur Verfügung (siehe zur damaligen Argumentation des EVG vorstehende E. 3.1). Abgesehen davon, dass demnach auch unter dem Aspekt der Schadenminderung keine Gesetzeslücke vorliegt, die eine richterliche Lückenfüllung rechtfertigen könnte, würde das Festhalten an der Praxis zur Angewöhnungsrente (Urteil des EVG vom

11. Juli 1919 i.S. Gehring) zu einer Umgehung der gesetzlichen Regelung von Art. 21 Abs. 4 ATSG, insbesondere des darin geregelten Verfahrens, führen und bedürfte einer gesetzlichen Grundlage.

    1. Soweit ersichtlich hat weder das damalige EVG noch das Bundesgericht eine medizinische erwerbliche Grundlage für die angeführte Erfahrung aufgezeigt, dass (vor allem bei ausgewählten Körperschädigungen wie Fingerverstümmelungen) nach einer „gewissen Phase“ der Anpassung Angewöhnung keine nur noch eine minimale Verminderung der Erwerbsfähigkeit resultiere (vgl. vorstehende E. 3; im Urteil des EVG vom 11. Juli 1919 i.S. Gehring, a.a.O., S. 37 ist die Rede von „allgemeiner Erfahrung“, in BGE 106 V 50 E. 2a wird auf eine nicht näher begründete

      „Erfahrungstatsache“ hingewiesen). Angesichts dessen, dass sich die Bedeutung des Rechtsbegriffs der Erwerbsfähigkeit - seit dem Erlass des UVG - auch in der Unfallversicherung am ökonomischen Prinzip orientiert (BBl 1976 III 168 und 192), sind Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der Erwerbsfähigkeit, selbst wenn sie sich auf allgemeine medizinische Erfahrungsgrundsätze stützen, im konkreten Einzelfall von

      geringer Aussagekraft. Jedenfalls rechtfertigen sie keinen Vorzug einer antizipierten Invaliditätsschätzung gegenüber der späteren Anpassung in Form einer Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG gerade in Fällen wie dem vorliegenden, wo eine 100%ige Arbeitsfähigkeit für leidensangepasste Tätigkeiten bereits erreicht und erwerblich vollumfänglich verwertet wird. Der Invaliditätsgrad resultiert vorliegend denn auch nicht aus einer medizinischen, sondern einer rein erwerblichen Einbusse infolge Berufswechsel (vgl. UV-act. 189 und act. G 3, Rz 4.2; zum aufgenommenen 100%igen Erwerbspensum siehe UV-act. 195-2). Sodann hat die jüngere Rechtsprechung zur Rentenrevision hinsichtlich medizinisch prognostizierter Besserungen wiederholt betont, dass die Frage, ob eine derartige Änderung tatsächlich eingetreten ist, einer - auch mit Blick auf die mitunter einschneidenden Folgen für die versicherte Person - sorgfältigen Prüfung bedarf (Urteile des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2012, 8C_373/2012, E. 5.1, und vom 31. Mai 2013, 8C_967/2012, E. 3.4). Eine gewissenhafte Prüfung einer zukünftigen, die Erwerbsfähigkeit betreffenden Tatsachenänderung erscheint allerdings im Zeitpunkt der Prognosestellung wohl kaum gewährleistet. Dies gilt umso mehr, als es nach der jüngeren Rechtsprechung im Fall einer ärztlicherseits in Aussicht gestellten Verbesserung des Leidensbilds weiterer Abklärungen (ex post) zu deren Bestätigung bedarf (Urteile des Bundesgerichts vom 5. Juli 2012, 8C_580/2011,

      E. 6, und vom 3. April 2013, 8C_959/2012, E. 2.3 je mit Hinweis).

    2. Gegen die Fortführung der Praxis zu den Angewöhnungsrenten spricht ferner, dass die Gewährung einer im Voraus befristeten Rentenzusprache bereits dann statthaft ist, wenn eine zukünftige Anpassung und Angewöhnung der versicherten Person an die Unfallfolgen in absehbarer Zeit „wahrscheinlich“ ist (BGE 106 V 51 E. 2b, RKUV 1986 Nr. U 3 S. 260 E. 2a und RKUV 2001 Nr. U 444 S. 552 E. 2.a

      [„vraisemblable“]; Omlin, Dauerrenten - Zeitrenten - Terminierte Renten, a.a.O., S. 134). Es bestehen weder eine gesetzliche Grundlage noch sonstige Gründe, die im Bereich der Angewöhnungsprognose ein Abweichen von dem im Sozialversicherungsrecht massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360

      E. 5b) rechtfertigen. Dies umso weniger als in der vergleichbaren Thematik der Validenkarriere bzw. des beruflichen Aufstiegs im Gesundheitsfall rechtsprechungsgemäss sogar darüber hinausgehende Beweisanforderungen verlangt werden (zur geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ siehe etwa Urteil des Bundesgerichts vom 15. Januar 2009, 8C_638/2008, E. 4.3). Nichts anderes kann für

      eine antizipierte (und damit hypothetische) Invalidenkarriere in Form einer für die Zukunft vermuteten besseren Leidensanpassung gelten.

    3. Aus verfahrensrechtlicher Sicht besteht ebenfalls keine Rechtfertigung für eine

      von vornherein befristete Angewöhnungsrente.

      1. Von Bedeutung ist zunächst, dass sich die vorstehend genannte Rechtsprechung zur Angewöhnungsrente in der Unfallversicherung in einer Zeit entwickelte, als es mangels umfassender bundesrechtlicher Vorgaben zur Abänderung von rechtskräftigen Verwaltungsverfügungen noch vorrangig die rechtsfortbildende Aufgabe der Rechtsprechung war, verfahrensrechtliche Grundsätze zu bilden (vgl.

        U. Meyer-Blaser, Abänderung formell rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen in der Sozialversicherung, in: ZBL 8/1994, S. 341).

      2. Seit dem Erlass des UVG hat sich die bei Eintritt anspruchserheblicher Tatsachenänderungen jederzeit mögliche Anpassung des Rentenanspruchs mit Wirkung ex nunc et pro futuro allerdings auch im Bereich der Unfallversicherung durchgesetzt (vgl. auch Meyer-Blaser, a.a.O., S. 349). Verfahrens- und materiellrechtlich stand denn auch beim Erlass des UVG - in ausdrücklich angestrebter Angleichung an die (damalige) in der Invalidenversicherung herrschende Rechtslage - die (neu konsequent) elastische Gestaltung der Rentenrevision in der

        Unfallversicherung im Vordergrund (vgl. insbesondere BBl 1976 III 168 und 191 f.; siehe aArt. 22 Abs. 1 UVG in der bis 31. Dezember 2002 gültigen Fassung).

      3. Das Dahinfallen eines Rentenanspruchs aufgrund einer festgestellten vollen Erwerbsfähigkeit war sodann allein in Verbindung mit bzw. unter Vorbehalt einer Revision vorgesehen (vgl. BBl 1976 III 191). Die Idee einer a priori befristeten Rentenleistung aufgrund einer antizipierten Angewöhnung fand soweit ersichtlich - wie im Übrigen die Möglichkeit einer antizipierten Revision - gerade nicht Eingang in das UVG später in das ATSG. Eine von der Rechtsprechung zu füllende Gesetzeslücke ist angesichts der elastischen Revisionsgestaltung bzw. der jederzeitigen Anpassungsmöglichkeit in Form der Revision - die vom ATSG übernommen wurde (siehe Art. 17 Abs. 1 ATSG) - zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sodann - im Gegensatz zur Militärversicherung, in der in Abweichung zum ATSG die

        bisherige gesetzliche Regelung unverändert beibehalten wurde (siehe Art. 1 Abs. 1

        i.V.m. Art. 41 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Militärversicherung [MVG; SR 833.1]

        i.V.m. Art. 23 der Verordnung über die Militärversicherung [MVV; SR 833.11]; zum anerkannten gesetzlichen Anpassungsbedarf bei vollumfänglicher Übernahme der ATSG-Lösung siehe BBl 1999 IV 4559) - darauf verzichtet, im Bereich der Unfallversicherung eine von Art. 17 Abs. 1 ATSG abweichende Regelung zu erlassen.

      4. Die Thematik eines bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenzusprache (prognostizierten) Angewöhnungseffekts bzw. einer (prognostizierten) positiven Leidensanpassung beschlägt des Weiteren nicht die ursprüngliche Rentenzusprache, sondern das Bedürfnis nach deren Anpassung an einen danach tatsächlich eingetretenen rechtserheblich veränderten Sachverhalt. Dabei ist von Bedeutung, dass sich die formelle und materielle Rechtskraft der ursprünglichen Verfügung über eine Dauerleistung auf das für ihren Erlass massgebliche Anspruchsfundament beschränkt, das heisst in tatsächlicher Hinsicht auf die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass dieser Verfügung entwickelt haben (vgl. Meyer-Blaser, a.a.O., S. 348 mit Hinweis auf BGE 116 V 248 E. 1a). Die Prognose über eine nach dem Verfügungserlass liegende anspruchsrelevante Sachverhaltsänderung betrifft nicht das ursprüngliche tatsächliche Anspruchsfundament, das zur Rentenzusprache führt, sondern erst die vermutete, aber noch nicht eingetretene Sachverhaltsänderung danach. Eine Verfügung über eine Invalidenrente gemäss Art. 18 UVG steht daher unter dem jederzeitigen Vorbehalt künftig eintretender anspruchserheblicher Tatsachenänderungen (vgl. vorstehende

E. 3.7.2), weshalb aus verfahrensrechtlicher Sicht kein Bedarf besteht, eine vermutete spätere Sachverhaltsänderung bereits im Zeitpunkt der ursprünglichen Leistungszusprache zu antizipieren. Auch die unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung anerkennt, dass einer allfälligen Veränderung der Umstände in der Zukunft, sofern eine solche denn auch tatsächlich eintritt, (erst) im Rahmen einer Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG Rechnung zu tragen ist (Urteil des Bundesgerichts vom 29. November 2010, 8C_747/2010, E. 3.2.1 mit Hinweis). Diese Sichtweise wird durch die weitere jüngere Rechtsprechung betreffend die Angewöhnung an das Leiden bestätigt, worin eine revisionsrechtlich relevante Tatsachenänderung in Form einer verbesserten Leidensanpassung der versicherten Person anerkannt wird (BGE 141 V 14 E. 6.3.2; siehe auch Urteile des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2012, 8C_373/2012, E. 5.1, vom 31. Mai 2013, 8C_967/2012, E. 3.4,

und vom 6. Januar 2016, 8C_530/2015, E. 5.2 am Schluss). Der genannten jüngeren Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass zukünftige Leistungsanpassungen den Vorbehalt des tatsächlichen Eintretens vermuteter Verbesserungen voraussetzen und davor keine Rentenrelevanz besitzen.

    1. Nach dem Gesagten und aufgrund der jederzeitig möglichen nachträglichen Anpassung rechtskräftig zugesprochener Rentenleistungen (aArt. 22 Abs. 1 UVG bzw. Art. 17 Abs. 1 ATSG) besteht keine Rechtfertigung mehr, an der früheren Praxis zur Angewöhnungsrente bzw. zur Zulässigkeit antizipierter Invaliditätsschätzungen in der Unfallversicherung festzuhalten. Auch in der Lehre wird die Praxis zur Angewöhnungsrente - wie vorstehend dargelegt - zu Recht mit der Argumentationskette kritisiert, dass dadurch die Abgrenzung zwischen Taggeld und Rente verwischt wird, der im Rahmen des Rentenanspruchs geltende Invaliditätsbegriff ausgehöhlt wird und die Bestimmungen über die Rentenrevision umgangen werden (Jürg Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom

      19. Juni 1992, Bern 2000, Rz 6 und 8 zu Art. 41 mit Hinweisen). Aufgrund der dargestellten Überlegungen ist die Praxis zu den Angewöhnungsrenten nicht mehr haltbar. Die von der Beschwerdegegnerin angeordnete Befristung der Rentenleistung erweist sich damit als unzulässig. Der Beschwerdegegnerin steht es im Übrigen frei, jederzeit eine Revision von Amtes wegen zu eröffnen, um den Sachverhalt hinsichtlich einer allfälligen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zu überprüfen und die Rentenleistung den allenfalls geänderten Umständen anzupassen, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist (act. G 1, Rz 3).

    2. Daran vermag nichts zu ändern, dass gemäss Rechtsprechung die Richtigkeit der Prognose im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der prognostisch verfügten Rentenaufhebung soll überprüft werden können bzw. dass der versicherten Person zur Anfechtung der Terminierung beim Rentenablauf alle Rechte gewahrt bleiben sollen (RKUV 1993 U 173 S. 145 E. 2 mit Hinweis). Die Praxis nennt zur Überprüfung dieser Prognose die „Revision“ von Amtes wegen auf Gesuch hin (RKUV 1993 U 173

S. 145 E. 2 mit Hinweis). Die antizipierte Rentenherabsetzung - um deren Überprüfung es geht - wird gemäss Rechtsprechung erst im Zeitpunkt des Revisionsverfahrens wirksam und ihre Anfechtung ist erst bei Rentenablauf möglich (RKUV 1993 U 173

S. 145 E. 2). Mit anderen Worten ist die Terminierung bzw. die Rentenherabsetzung im

Zeitpunkt des von der Praxis vorgesehenen „Revisionsverfahrens“ noch gar nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Revision gemäss Art. 17 ATSG setzt allerdings zwangsläufig - ihrem Wesen als Rückkommenstitel entsprechend - einen rechtskräftigen Leistungsentscheid voraus (BGE 135 V 147 E. 1.4.5; Ralph Jöhl, Die Revision nach Art. 17 ATSG, in: Ueli Kieser/Miriam Lendfers, JaSo 2012, St. Gallen 2012, S. 156), den sie ex nunc et pro futuro den veränderten tatsächlichen Verhältnissen und der in dessen Folge veränderten Sachverhaltsprognose bezüglich der Dauerhaftigkeit der veränderten Umstände anpasst (vgl. Jöhl, a.a.O., S. 156). Sie ist kein verwaltungsinternes Anfechtungsmittel gegen noch nicht rechtskräftige Dauerleistungsentscheide. Gegenstand der Revision im Sinn von Art. 17 ATSG bilden zudem allein nachträgliche Veränderungen des ursprünglichen tatsächlichen Anspruchsfundaments. Sie dient entgegen der Praxis des damaligen EVG (RKUV 1993 U 173 S. 146) nicht dazu, das tatsächliche Eintreten einer Prognose bzw. einer antizipierten Invaliditätsschätzung voraussetzungslos ex post auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (zur ex post-Betrachtung siehe etwa Urteil des EVG vom 13. März 2006,

U 367/05 E. 3.3.3 am Schluss sowie Peter Omlin, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallversicherung, Freiburg 1995, S. 102 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Hinzu kommt, dass die von der Rechtsprechung vorgesehene Korrektur die befristete Rentenzusprache ex tunc korrigiert und durch eine unbefristete Rentenleistung ersetzt (RKUV 1993 U 173 S. 146), was dem Wesen der Revision mit einer Anpassung ex nunc et pro futuro diametral widerspricht. Die Revision gemäss Art. 17 ATSG steht damit bei näherer Betrachtung für eine Korrektur einer allenfalls falschen Prognose gar nicht zur Verfügung.

4.

Selbst wenn im Übrigen die vorliegende Streitigkeit in Nachachtung der Rechtsprechung zur Angewöhnungsrente beurteilt würde, wäre der angefochtene Einspracheentscheid aufzuheben.

    1. Die Vermutung einer Angewöhnung der versicherten Person an ein Leiden gestützt auf aus der medizinischen Praxis gewonnenen Erfahrungen darf nicht zum Automatismus verkommen und es müssen die Rechte der Versicherten gewahrt bleiben. Daher muss unter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes konkret geprüft

      werden, ob nach Berücksichtigung der den Versicherten zumutbaren Anpassung und Angewöhnung eine reale Erwerbsunfähigkeit verbleibt (vgl. BGE 120 V 373 E. 6b). Bereits im Urteil des EVG vom 20. Oktober 1921 i.S. Kellerhals (a.a.O., E. 1, S. 110) wurde klargestellt, dass die auf allgemeiner Erfahrung beruhende Anpassungsvermutung für sich allein keine Befristung rechtfertigt. „Selbstverständlich“ sei „im Einzelfall auf Grund ärztlicher Feststellungen“ zu entscheiden (zum Stellenwert der konkreten ärztlichen Beurteilung für die Anpassungsvermutung siehe auch Piccard, a.a.O., S. 276). Hinsichtlich beruflicher Erkenntnisse ist eine „nach vorausgegangener Arbeitsprüfung“ verfasste konkrete Stellungnahme eines „technischen Experten“ erforderlich (Werner Lauber, Invalidität und Rente, in: Ders., Praxis des sozialen Unfallversicherungsrechts der Schweiz, Bern 1928, S. 321). Die günstige Prognose muss sich also auf fassbare Anhaltspunkte abstützen können, und es dürfen ihr nicht konkrete Begebenheiten des Einzelfalls entgegenstehen (Omlin, Dauerrenten - Zeitrenten - Terminierte Renten, a.a.O., S. 134).

    2. Der Beschwerdeführer hat aufgrund seiner anerkennenswerten Bemühungen eine Umschulung erfolgreich abgeschlossen und verwertet die ihm für leidensangepasste Tätigkeiten bescheinigte 100%ige Arbeitsfähigkeit vollumfänglich. Der rentenbegründende Invaliditätsgrad resultiert vorliegend nicht aus einer medizinischen, sondern einer rein erwerblichen Einbusse infolge unfallbedingten Berufswechsels (vgl. UV-act. 189 und act. G 3, Rz 4.2; zum aufgenommenen 100%igen Erwerbspensum siehe UV-act. 195-2). Die Fälle, in denen eine Rentenbefristung im Hinblick auf eine zum vornherein zu erwartende grundlegende Änderung der erwerblichen Verhältnisse erfolgt, sind selten (Omlin, Dauerrenten - Zeitrenten - Terminierte Renten, a.a.O., S. 135). Es ergeben sich aus den Akten zudem weder eine konkrete Einschätzung eines medizinischen noch eines beruflichen Experten, welche die von der Beschwerdegegnerin der Befristung zugrunde gelegte Anpassungsvermutung (act. G 3, Rz 4.1) bestätigt. Überdies steht der Anpassungsvermutung der Beschwerdegegnerin vorliegend der tatsächlich noch erzielte Verdienst des Beschwerdeführers und damit konkrete Gegebenheiten entgegen (vgl. Omlin, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallversicherung, a.a.O., S. 100 f.). Dabei ist zu beachten, dass auch die Beschwerdegegnerin - zu Recht - jedenfalls während eines Zeitraums von immerhin zwei Jahren von der Gültigkeit des tatsächlichen Verdiensts für die Bestimmung des Invalideneinkommens ausgegangen

ist. Es ergeben sich weder aus den Akten noch den Ausführungen der Beschwerdegegnerin konkrete Gesichtspunkte, die ein Abweichen vom tatsächlich erzielten Einkommen zur Bestimmung des Invalideneinkommens nach Ablauf von zwei Jahren rechtfertigen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 29. November 2010, 8C_747/2010, E. 3.2.1). Daran vermag ihr Hinweis auf den statistischen Lohn (LSE TA1, Ostschweiz, Pos. 68 „Grundstücks- und Wohnungswesen, Kategorie 4, Männer, 2010) nichts zu ändern. Denn einerseits ersetzt dieser Hinweis nicht die fehlenden konkreten Grundlagen und andererseits verfügt der Beschwerdeführer im neuen Berufsfeld lediglich über eine geringe Anzahl Dienstjahre, weshalb dem LSE-Wert für sich allein die Aussagekraft hinsichtlich der konkreten Anpassungsvermutung fehlt. Zu beachten ist ferner, dass der Abschnitt „Grundstücks- und Wohnungswesen“ eine Tätigkeit als Vermieter Makler in einem mehreren der folgenden Bereiche enthält: Kauf und Verkauf von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen, Vermietung von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen, Erbringung sonstiger Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen, z.B. Schätzung von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen Tätigkeit als Treuhänder Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen. Dieser Abschnitt umfasst auch die Errichtung von Bauwerken, wenn der Errichter Eigentümer der Gebäude bleibt sie vermietet. Schliesslich gehört auch die Tätigkeit von Hausverwaltungen zu diesem Abschnitt (vgl. <http://www.kubb2008.bfs.admin.ch/ Default?code=L>, abgerufen am

26. Mai 2016). Der Beschwerdeführer ist als „Assistent Bewirtschaftung“ (UV-act. 157)

tätig und der Durchschnittslohn des weit gefassten Tätigkeitsfelds des Abschnitts

„Grundstücks- und Wohnungswesen“, der namentlich auch den Immobilienhandel erfasst, lässt daher für sich allein keine zuverlässigen Schlüsse auf die konkreten zukünftigen Verhältnisse bzw. die konkrete Anpassungsfrage, geschweige denn ein Abweichen vom tatsächlich vom Beschwerdeführer erzielten Verdienst zu. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob dem Beschwerdeführer ein Wechsel des Arbeitsplatzes überhaupt zumutbar wäre.

5.

    1. Nach dem Gesagten ist in Gutheissung der Beschwerde der angefochtene Einspracheentscheid vom 2. September 2014 aufzuheben und dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. September 2013 eine unbefristete Invalidenrente entsprechend

      einem 14%igen Invaliditätsgrad zuzusprechen. Zur Festsetzung und Ausrichtung der unbefristeten Rentenleistung ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

    3. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer einen Anspruch auf eine Parteientschädigung für die Kosten der Vertretung und Prozessführung (Art. 61 lit. g ATSG). Die Parteientschädigung ist vom Gericht ermessensweise festzusetzen, wobei insbesondere der Bedeutung der Streitsache und dem Aufwand Rechnung zu tragen ist. In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 lit. b der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten (HonO; sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-- bis Fr. 12'000.--. Mit Blick auf die eingeschränkte Streitfrage und den einfachen Schriftenwechsel erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 3‘000.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer und Barauslagen) angemessen.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

In Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Einspracheentscheid vom

2. September 2014 aufgehoben und dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab

1. September 2013 eine unbefristete Invalidenrente entsprechend einem 14%igen Invaliditätsgrad zugesprochen. Zur Festsetzung und Ausrichtung der unbefristeten Rentenleistung wird die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von

Fr. 3'000.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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